Roboter

▸ Wissen ▸ Magazin ▸ Chatbotentwicklung: So wird sie zum Erfolg

Chatbotentwicklung: So wird sie zum Erfolg

Dominik Strzoda
zuletzt aktualisiert am 
Viele halten Chatbots nur für einen Hype, eine nette Spielerei oder futuristische Zukunftsmusik aus dem Silicon Valley ohne praktischen Nutzen. Wir halten dagegen: Das Zeitalter der Chatbots hat gerade erst begonnen.

Gartner schätzt, dass bis 2020 über 50% aller mittelständischen und Großunternehmen einen Chatbot im Servicebereich einsetzen werden. Und gleichzeitig wächst auch die Akzeptanz der User für die smarten Helfer: schon 2017 haben 34% der Befragten an, dass sie bereit wären im Messenger mit einem Chatbot statt einem menschlichen Mitarbeiter aus dem Kundenservice zu kommunizieren.

Eine besondere Rolle in der Entwicklung dieser Technologie kommt sicherlich Facebook zu, die 2016 die Chatbot-Funktion in ihrem Messenger vorstellten und damit eine Chatbot-Lawine lostraten: Innerhalb eines halben Jahres zählte die Plattform 30.000 aktive Facebook Messenger Bots. Ein Jahr später waren es schon über 100.000.

Es gibt gute Gründe, die für die Chatbot-Entwicklung sprechen: Sie sind 24/7 verfügbar, liefern den Usern die gewünschten Antworten in kürzerer Zeit, als die menschlichen Mitarbeiter im Callcenter es je könnten, werden nie müde und sparen langfristig Kosten im Servicebereich, teils sogar in Milliardenhöhe.

Doch der Hype hat natürlich auch seine Schattenseiten: So springen Unternehmen oftmals auf den Zug der Chatbot-Entwicklung auf, ohne sich darüber im Klaren zu sein, was sie überhaupt wollen, wie aufwendig die Chatbot-Entwicklung und was von der Technik zu erwarten ist. Enttäuschungen sind hier natürlich vorprogrammiert. Aber es geht auch anders. Wer die Chatbot-Entwicklung mit System angeht und Technik, Nutzerbedürfnisse und Unternehmensziele unter einen Hut bringt, hat gute Chancen auf einen erfolgreichen Chatbot und entlastet so die Kommunikation der Service Abteilung. Im Folgenden findest Du eine kleine Übersicht der wichtigsten Schnitte.

Zweck und Einsatzmöglichkeiten des Bots

Bevor man mit der Chatbot Entwicklung beginnt sollte man sich die Frage stellen: Welchen Zweck soll der Bot eigentlich erfüllen? In welchem Geschäftsbereich kommt er zum Einsatz und welche Rolle übernimmt er? Wie kann er dem Benutzer helfen? Hier empfiehlt es sich, zunächst nicht zu viel auf einmal zu wollen. Chatbots sollten zuerst für eine kleine und eng definierte Aufgabe eingesetzt werden. Dadurch wird die Evaluation des Chatbots deutlicher einfacher und effizienter. Im folgenden lässt sich der Aufgabenbereich des Chatbots nach und nach und basierend auf Feedback erweitern.

So bieten sich zum Beispiel Routineaufgaben, die häufig wiederkehren, sind als ein erstes ideales Einsatzgebiet für Chatbots an. Dazu gehört etwa die Beantwortung von häufigen Fragen (FAQ-Bots). Die Aufgabe eines solchen Bots besteht also darin, dem Kunden die richtigen Inhalte aus einem umfangreichen Informationsangebot bereitzustellen und ihm (und auch den Mitarbeitern aus dem Servicebereich) wertvolle Zeit zu sparen. Bots können aber auch komplexere Anfragen verarbeiten und lassen sich z.B. für Terminplanung oder auch Online-Shopping einsetzen. Chatbots, die selbstständig Servicefragen verarbeiten können, sind ihren menschlichen Kollegen im Callcenter deutlich überlegen: Sie sind zum einen günstiger, finden die richtige Antwort in kürzerer Zeit und und sind jederzeit verfügbar.

Es gilt also, Fälle zu identifizieren, die häufig vorkommen und schnell erledigt werden können. Hier empfiehlt es sich auf die bereits existierenden Kanäle, durch die Kundenanfragen verarbeitet werden, zurückzugreifen: Mit welchen Fragen wird zum Beispiel der Kundenservice immer wieder konfrontiert, welche Suchanfragen werden am häufigsten getätigt? Bei welchem Schritt kann der Chatbot helfen und welche Probleme könnten auftreten? Zusätzlich kann man die Bedürfnisse der Kunden auch direkt mittels Umfragen in Erfahrung bringen: Was wünschen sie sich von einem Chatbot? Besonders hilfreich ist auch die Erstellung von Personas, archetypischen Nutzerprofilen, mit deren Hilfe man die Anforderung an den Chatbot ermittelt.

Technische Grundlagen

Technisch betrachtet lassen sich Chatbots grob in zwei Arten einteilen: Zum einen gibt es regel- oder script-basierte Chatbots, die sich an vordefinierten Dialogbäumen orientieren. Solche Bots kommen in stark standardisierten Prozessen zum Einsatz, etwa wenn es darum geht Kundeninformationen abzufragen. Solche regelbasierte Bots kommen schnell an Grenzen, wenn sie mit Formulierungen konfrontiert werden, die von den Entwicklern so nicht antizipiert wurden.

Demgegenüber stehen Chatbots mit Natural-Language-Processing (NLP) Fähigkeiten. Solche Bots sind in der Lage, Freitexteingaben des Users zu verstehen und zu beantworten und sogar dazu lernen. Dazu analysieren sie die Eingaben und gliedern sie in 3 grundlegende Bestandteile: Utterances, Intents und Entities.

Utterances (Äußerung) bezeichnen alles, was der User eingibt und bilden die Basis der Kommunikation mit dem Chatbot. Hinter jeder Utterance des Users steht wiederum eine Absicht (Intent), also das, was der User erreichen möchte. Schließlich gibt es sogenannte Entities, Satzelemente, die den Intent modifizieren: So möchte der User beispielsweise nicht einfach nur die Öffnungszeiten wissen, sondern wann das Geschäft heute geöffnet hat.

NLP-Funktionalität muss heute keine Eigenentwicklung mehr sein. Chatbot Entwickler haben die Möglichkeit bequem auf die Frameworks von Microsoft (LUIS), Google (Dialogflow) oder auch Facebook (wit.ai) zurückgreifen. Diese Services nehmen Utterances von Chatbots entgegen und extrahieren hieraus vorher definierte Intents und Entities. Anschließend suchen Chatbots dann die Antwort, indem sie via einer API auf die Datenbank des Unternehmens zugreifen.

Mehr als nur eine Maschine? Die Persönlichkeit des Chatbots

Bei der Interaktion mit dem Bot sollte nicht nur die Funktion im Vordergrund stehen, sondern auch eine positive Nutzerfahrung. Die Interaktion mit dem Bot sollte ein positives Erlebnis sein und Spaß machen — den ein Chatbot präsentiert schließlich auch das Unternehmen und seinen Service – und trägt somit zu einem Teil seiner Außenwirkung bei. Entsprechend empfiehlt es sich einen Chatbot mit einer eigenen und einzigartigen Persönlichkeit zu gestalten. Dazu gehört, etwa, wie der Chatbot auf Anfragen reagiert, die er nicht versteht, oder wie er die Nutzer begrüßt.

Bei der Entwicklung einer solchen Persönlichkeit hilft es bestimmte Aspekte festzulegen, wie etwa das Alter, den Charakter oder das Geschlecht des Chatbots. Dies empfiehlt sich auch, wenn der Chatbot keinen eigenen Avatar erhält. Denn auch wenn der Nutzer natürlich wissen muss, dass er im Facebook Messenger gerade nicht mit einem Menschen, sondern einer Maschine kommuniziert, muss es sich doch nicht maschinenartig anfühlen.

Das Prototyping

Sind die Persönlichkeit des Chatbots, die zu verwendende Technologie oder App und auch der Einsatzbereich des Bots geklärt, kann es an die eigentliche Chatbot Entwicklung gehen. Hierbei empfiehlt sich eine iterative Vorgehensweise: Schritt für Schritt werden Lösungen für die Interaktion mit dem Chatbot erarbeitet und getestet.Man fängt man mit einem einfach Prototyp an, denn man via kontinuierlichem Feedback verbessert.

In der ersten Prototyping Phase geht es darum, wie der Bot den Anwender am besten zu den Informationen führen. Was sind die Absichten (Intents) der User, welche Formulierungen (Utterances) kommen hierbei zum Einsatz und welche Informationen benötigt der Bot um die Anfrage zu beantworten (Entities)? Welche Informationen muss der Bot explizit erfragen und welche kann er sich aus dem Kontext schließen? Zur Erstellung von Dialogflüßen empfiehlt es sich auf auf bisherige Konversationen des Kundenservice zurückzugreifen. Idealerweise sollte jede Äußerung den Bot ein Stück näher zur Lösung bringen.

Ein besonderes Augenmerk sollte auf dem Onboard liegen, der Art und Weise, wie der User in die Konversation mit dem Bot einsteigt und wie dieser kommuniziert, wie er zu nutzen ist. Erst wenn der User tatsächlich dazu motiviert ist, den Bot zu benutzen, kann dieser nachhaltig entwickelt und Schritt für Schritt verbessert werden.

Es lohnt sich bereits sehr früh in der Entwicklung einen sogenannten „Wizard-of-Test“ durchzuführen: Hier interagieren Probanden aus der Zielgruppe über ein Chat-Interface an dessen anderem Ende jedoch noch kein Bot, sondern ein Mensch sitzt. Dieser antwortet auf die Eingaben der Benutzer mittels vorformulierten Textbausteinen. Während des Testing sollte man versuchen, sich an den Dialogfluss zu halten, aber natürlich alle Fälle notieren, die bislang nicht berücksichtigt wurden. Diese neuen Fälle sind dann in der nächsten Iteration zu verbessern. Nach dem Test bespricht man mit den Probanden, wie sie den Chatbot erlebt haben und was ihr Eindruck war. Diesen ganzen Prozess wiederholt man so lange und mit so vielen Probanden, bis sich nach einiger Zeit keine neuen Erkenntnisse mehr generieren lassen.

Schließlich kann man sich an die Entwicklung eines funktionalen Chatbots machen und hierbei natürlich auf ein bestehendes NLP System (Microsoft Bot ­Framework, Dialogflow, Botpress, Wit.ai oder auch IBM Watson) zurückgreifen. Gilt es in einer früheren Entwicklungsphase noch Stakeholder zu überzeugen, gibt es auch hier den einen oder anderen Service, mit dem sich beispielsweise Mockups- und Klickdummies erstellen lassen, welche bereits das Aussehen und Verhalten des späteren Chatbots simulieren.

Testen, testen, testen

Schließlich gilt auch für Chatbots, was für alle digitalen Produkte gilt: Auch nach dem Release weiter zu optimieren und zu verbessern. Hierbei kann man sich an gängigen KPIs orientieren (etwa die Verweildauer im Chat und die Zahl wiederkehrender Kunden) aber auch an speziellen Chatbot-KPIs, wie häufige Intents und Utterances. Spezielle Analytics-Anbieter wie etwa Dashbot oder Botanalytics geben hier hilfreiche Aufschlüsse. Und zuletzt ist natürlich nie verkehrt die Kunden direkt nach ihrer Meinung und Erfahrung zu fragen.

Fazit

Wer nicht einfach blind dem Hype folgt, sondern die Chatbot Erstellung wohl überlegt angeht und die oben genannten Schritte zu Herzen nimmt, der kann seinen Kunden schon bald einen automatischen Helfer bieten.

Wichtig ist, dass man schon früh versteht, was die eigentliche Herausforderung bei der Erstellung eines Chatbots ist. Und das ist eben nicht, wie viele denken, die eigentliche Programmierung, sondern die Konzeption der Interaktion zwischen Bot und Kunde. Was erwarten Kunden von einem Chatbot, wie reagieren sie auf ihn und kann er tatsächlich Antworten auf ihre Probleme finden? Hier ist Kreativität und eine gute Beobachtungsgabe gefragt. Und natürlich auch die Bereitschaft, den Bot auch nach dem Launch kontinuierlich zu optimieren.

Autor

Geschäftsführer und Wirtschaftspsychologe (M.Sc.) Dominik Strzoda ist seit über 10 Jahren als Experte im Online Marketing tätig. 

Er hat Konzerne wie die Deutsche Bank, Center Parcs oder die Deutsche Bundesbank in den Bereichen SEO, SEA, Social Media Marketing, Employer Branding und Media Buying beraten. 

Sein Wissen teilt er zudem in Seminaren und als Speaker auf Konferenzen.

Dominik Strzoda auf LinkedInXing
Online Marketing